Die Wege sind
Weltanschauungen; sie zeigen Möglichkeiten auf, wie man leben
und die Welt verstehen kann. Dies vermittelt jenen, die den
Wegen folgen, ein klareres Bewusstsein dessen, was sie selbst
eigentlich sind, und gibt ihrem Leben ein Ziel. Wie sich die
Bauern dieser Zeit den Sakramenten der Kirche zuwenden, um im
alltäglichen Elend Trost zu finden, so sollen die Weges die
Kainiten hinwegtrösten über das Wissen um die eigene Art und
über das Tier, das in ihnen haust.
Je vollkommener sich ein
Kainit seinem Weg verschrieben hat, desto leichter wird es ihm
fallen, die Begierden des Tiers zu bezwingen oder in Schach zu
halten. Aber so wird der Vampir auch immer fanatischer, was die
Glaubensgrundsätze seines Weges betrifft- er eifert wie ein
Heiliger oder ein Märtyrer.
Allen Wegen gemein ist das Ziel, ihre Gläubigen vor dem Wahnsinn
zu bewahren. Jeder tut dies jedoch auf seine eigene Weise:
einige, indem sie die Existenz des Tieres leugnen, andere, indem
sie es annehmen und im Einklang mit ihm leben. Jeder Weg
konzentriert sich auf einen bestimmten Glaubensgrundsatz, aber
die einzelnen Dogmen unterscheiden sich stark. Einige, wie der
Weg des Himmels und der der Menschlichkeit, streben nach
Erlösung und hoffen auf Errettung.
Andere, wie etwa der Weg des
Tiers und der der Sünde, geben dem Tier nach, um so dessen
Hunger zu stillen. Wieder andere, wie der Weg der Könige,
konzentrieren sich auf die Überlegenheit der Kainskinder
gegenüber der Herde der Sterblichen. wie die unterschiedlichen
Religionen: oftmals streiten und wetteifern sie um den Einfluss
auf kainitische Herzen und Seelen. Jeder Weg dient dazu, das
Tier in Schach zu halten, aber das ist auch die einzige
Gemeinsamkeit.
Auf dem Weg
Es ist schwer, den Wegen zu folgen, aber es ist notwendig, wenn
die Kainiten dem Sirenengesang des Tieres in sich widerstehen
wollen. Ein Kainit beginnt unmittelbar nach dem Kuss, einem
bestimmten Weg zu folgen und tut das dann während seiner
gesamten unsterblichen Existenz, es sei denn, er wird vernichtet,
fällt dem Tier zum Opfer oder erreicht das legendäre Ziel
Golconda.Frisch geschaffene Vampire wählen einen bestimmten Weg, dem sie
folgen.
Manche Erzeuger informieren die Neugeborenen über die
unterschiedlichen Wege und deren Grundsätze, und diese
Neugeborenen können ihre Wahl im vollen Wissen um das, was sie
beinhaltet, treffen. Dieses Verfahren wird von den meisten Hohen
Clans bevorzugt, und auch einige aus den Minderen Clans gehen so
vor, aber es ist mitnichten die Regel. Es ist wahrscheinlicher,
dass das Kind nur wenige Detailkenntnisse über die Wege besitzt
oder sogar gänzlich unwissend ist. Seine eigenen Instinkte
leiten es dann zu einer breiten Via, der es folgt. Solche
Kainiten hängen ihrem Weg in blindem Glauben an; von Instinkten
geleitet klammern sie sich an alles, was der Glauben ihnen zu
bieten hat, um das Tier in Schach zu halten. Einer der Gründe,
warum Prinzen so beharrlich darauf bestehen, dass nur sie
bestimmen dürfen, wer Kinder zeugt, hängt auch eng mit der
Unterweisung über die Bedeutung der Wege zusammen. Clanslose, die
sich selbst überlassen bleiben, entarten zu oft zu Monstern und
bringen so die sterbliche Bevölkerung gegen alle Kainiten auf.
Abtrünnige
Manchmal wenden sich Kainiten von dem Weg, den ,sie sich
erwählten, ab. Das ist jedoch ein Entschluss mit weit reichenden
Folgen: Der Charakter setzt seine Seele aufs Spiel. Entweder
wendet sich der Vampir rasch einem neuen Weg zu, oder er liefert
sich auf immer und ewig dem Tier aus.
In beiden Fällen wenden sich die Abtrünnigen von ihrem
ursprünglichen Weg ab. Weder halten sie dessen Prinzipien in
Ehren, noch folgen sie den Traditionen. Dies gewährt dem Tier
eine größere Kontrolle über die Seele des
betreffen Kainiten. Abtrünnige werden immer mehr von den
Bedürfnissen ihres Tieres dominiert. Sie machen sich über ihren
früheren Glauben lustig, und es kann sogar dazu kommen, dass sie
sowohl bei Hof als auch bei den anderen Anhängern ihres früheren
Weges als Verstoßene gelten. Die meisten Abtrünnigen stehen
jedoch zu ihrem Glück unter dem Schutz eines Lehrers oder
Priesters eines anderen Weges. Auf wen das nicht zutrifft, der
fällt womöglich unter einen Bannfluch oder wird gar zur Blutjagd
freigegeben.
Nachdem der Abtrünnige den meisten Glaubensgrundsätzen seines
Weges abgeschworen hat, gerät er in einen Zustand, den manche
der kainitischen Gelehrten als „in den Fängen des Tieres sein“
bezeichnen: Es geht ihm wie einem Ertrinkenden, und er muss
schwimmen oder eben untergehen. Die betroffenen Kainiten müssen
entweder einen neuen Weg finden, sich diesem verschreiben und
dann darum ringen, die Kontrolle über ihr Tier wiederzugewinnen
oder sie geben auf und versinken auf ewig in totaler Wildheit
und unwiderruflicher Verdammnis.
Auch Abtrünnige, denen es gelingt, auf ihrem neuen Weg
erfolgreich zu sein, sind stigmatisiert, besonders natürlich in
den Augen der Anhänger ihres alten Weges. Es gilt jedoch nicht
als Verbrechen, den Weg zu wechseln. Dennoch entscheiden sich
nur wenige Kainiten für einen Wechsel des Weges, nachdem sie
sich einmal einem angeschlossen haben, und diejenigen, die
abtrünnig werden, betrachtet man mit leichtem Misstrauen. Sie
haben zwar außerordentlich viel Willenskraft bewiesen, aber
nicht gerade große Charakterstärke gezeigt: dadurch werden sie
gefährlich.
Wegegabelungen
jeder Weg hat überall in Europa und darüber hinaus viele
Anhänger, die sich alle über bestimmte Grundregeln einig sind,
aber in anderen Fragen unterschiedlicher Meinung sein können. In
den meisten Fällen beruhen diese unterschiedlichen
Einschätzungen auf den Erfahrungen der Einzelnen und führen
weniger zu Fraktionierung als zu persönlicher Einsicht. So mag
zum Beispiel der eine Anhänger des Weges der Menschlichkeit
daran glauben, dass man stets die neuesten Gepflogenheiten der
Menschen nachahmen sollte, während sich ein anderer an früheren
Gesellschaftsmodellen orientiert. Aber innerhalb der Wege
entstehen auch richtige Bewegungen, entweder als Reaktion auf
eine Erkenntnis, die sich mehr und mehr durchsetzt, oder um
einen besonders charismatischen Priester der Asche herum. Diese
so genannten Pfade sind eine Weiterentwicklung der Praxis und
der Dogmen eines Weges.
So gibt es neben dem Weg des Himmels den Pfad der Göttlichkeit,
der davon ausgeht, Kainiten seien von Gott gesegnet, durch
Gottes Hand berührt und daher über den sterblichen Menschen
gestellt. Die Praktiken dieses Pfades kann man unter anderem in
der Sekte der Kainiten beobachten. Im krassen Gegensatz hierzu
steht der Pfad der Buße, dessen Anhänger glauben, Gott habe Kain
verflucht und alle, die Kains Blut in sich haben, seien ihrer
Sünden wegen ebenfalls verflucht. Diese Vampire gehen davon aus,
dass ihr Unleben die Buße für diese Sünden darstellt. Beide
Pfade glauben an die Macht und Größe Gottes, betrachten jedoch
den Glauben des jeweils anderen Pfads als Ketzerei.
In anderen Fällen existieren die abweichenden Pfade eines Weges
mehr oder weniger harmonisch nebeneinander (oder zumindest ohne
offene Konflikte). Die Anhänger des Weges des Tiers respektieren
die verschiedenen
Glaubensrichtungen ihrer Pfade, da sie lediglich einfache
Unterschiede im Ausdruck der Prinzipien darstellen, die sie alle
gemeinsam für richtig erachten. Manche Pfade verhalten sich zu
ihrem Weg wie eine Diözese zur Kirche; andere gleichen eher
heiligen Orden oder Klöstern oder, in einigen Fällen,
ketzerischen Sekten.
Geistlichkeit
Manche Anhänger eines Weges entscheiden sich dazu, ihren Glauben
zu ehren, indem sie andere lehren und sich um deren Bedürfnisse
kümmern. Gelehrte und Priester sind für die Erhaltung eines
Weges und auch dafür, Neugeborene in das Leben und Wesen des
Weges einzuführen, wichtig. Sie stehen auch anderen Riten vor,
wie die Priester den Gläubigen die Sakramente spenden oder
Fürsten jemandem zum Ritter schlagen respektive andere
Ehrentitel verleihen. Das Priesteramt und die Lehre sind meist
erfahrenen Angehörigen eines Weges vorbehalten.
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